Aboriginal Predator
Die folgende Kurzgeschichte entstand in einem kreativen Prozess zwischen dem Painter John Norman (AUS) und mir. Narins (TH) phänomenales original design eines Aboriginal Predators inspirierte uns beide, zusätzlich zum painting Prozess eine background story über diesen Predator zu vefassen. Basierend auf einer Idee von John - ein Predator stürzt mit seinem Raumschiff auf dem australischen Kontinent ab, wird von einem einheimischen Stamm gerettet und lebt fortan auf die traditionelle Weise unter ihnen - begann ich, die ersten Zeilen zu schreiben. Was folgte, war ein spannender Abtausch, bei dem parallel das Kit von John in Australien fertiggestellt und die story des Aboriginals von mir in Deutschland weitergeschrieben wurde. John sendete regelmäßig Bilder seines Fortschritts und inspirierte mich weiter an der Fortsetzung der Geschichte zu schreiben. Innerhalb weniger Wochen wurde nicht nur die story immer größer, auch die Base des Aboriginals wuchs nach eigenem sculpt von John immer weiter. John gestaltete eine ganz neue Umgebung für den Predator, indem er den Ansatz eines sumpfigen Wasserlochs und einen mit Dschungelvegetation bedeckten Baumstamm hinzufügte. Das Ergebnis schaut einfach großartig aus, John´s painting und sculpting skills machen diesen Predator zu einem einmaligen Highlight in der Sammlung! Ich hoffe, Euch gefällt die folgende Kurzgeschichte, ganz sicher aber werden Euch die Bildergalerien von John´s fantastischer Version eines (Ab)Original Predators vor australischer Dschungel-Kulisse gefallen!
Kapitel 1: Ein uralter Fluch
In der Kultur der Aborigines entspringen zahlreiche alte Mythen und Geschichten aus der sogenannten Traumzeit. Die Welt der Traumzeit besteht aus einer universellen, raum- und zeitlosen Existenz, die unsere reale Welt ständig beeinflusst. Die reale Welt reagiert wie ein Echo und beeinflusst ihrerseits die Traumzeit durch ihre eigenen Ereignisse.
Es ist das Jahr 1789, irgendwo tief in der terra australis. Innerhalb von drei Wochen sind zwei erfahrene Stammesangehörige einem riesigen Krokodil zum Opfer gefallen. Ihre Gemeinsamkeit: Sie hatten beide einen älteren, leiblichen Bruder. Als die Nachricht von einem dritten Opfer eintrifft, und dieser Stammesangehörige ebenfalls einen älteren Bruder hat, erinnern diese Vorfälle an einen alten, tragischen Mythos aus der Traumzeit über zwei Brüder, die einst die gleiche Frau liebten. Und so beginnen die Stammesweisen die alte Geschichte wieder zu erzählen: Es waren einst zwei ungleiche Brüder, die beide um die Gunst derselben Frau warben. Als der ältere Bruder die Frau heiratete, konnte der jüngere die verschmähte Liebe nicht verkraften. Eines Tages, als beide fischen gingen, entdeckten sie ein am Uferrand schlafendes Krokodil. Der Jüngere überredete seinen Bruder, sich an das Reptil heranzuschleichen und ihm eine Schlinge um seinen Mund zu legen, damit sie in Ruhe und reichlich fischen konnten. Aber das Krokodil schlief nicht. In dem Moment, als der Bruder die Schlinge um seinen Mund legen wollte, öffnete es seinen Kiefer und riss den Körper des Bruders in zwei Hälften. Da rief der Jüngere: "Keine Sorge, mein Bruder, ich kümmere mich von nun an um deine Frau."
Kapitel 2: Bruder von den Sternen
Die Stammesweisen glauben fest daran, dass der einst getötete, ältere Bruder in der physischen Form eines riesigen Krokodils aus der Traumzeit in die reale Welt zurückgekehrt ist. Tief erfüllt von Wut und Trauer über den brüderlichen Verrat an ihm, lässt ihn seine sinnlose Suche nach dem längst verstorbenen jüngeren Bruder Rache an allen jüngeren Brüdern nehmen, die seinen Weg kreuzen. Nach einer langen Beratung unter den Weisen, wie man weiter Schlimmeres verhindern könnte, beschließt der Stammesälteste, seinen besten Krieger auf die Jagd nach dem riesigen Krokodil zu schicken und diesen verfluchten Geist ein für alle Mal in die Traumzeit zurückzudrängen. Der Name dieses Kriegers: Gagaan Budhu.
Gagaan Budhu ist nicht nur ihr bester Krieger, er selbst ist auch eine Art übernatürliches Wesen: ein Predator. Einst mit einer Mission auf die Erde geschickt, fand diese jedoch schon mit seiner Ankunft ein vorzeitiges Ende: Nach einem technischen Defekt seines Raumschiffes stürzte er auf dem australischen Kontinent ab und wurde durch den Aufprall sehr schwer verletzt. Er hatte Glück im Unglück: Ein Stamm der Aborigines entdeckte ihn und pflegte den Predator mit traditionellen Riten und Medizin wieder gesund. Damals, vor fast zwei Generationen, war es der heute Stammesälteste selbst, der ihn nach dem Absturz als erster fand und seinen Vater aufforderte, diesen furchterregend aussehenden Besucher aus einer anderen Dimension aus seinem Sternenwrack zu befreien und zu retten. Die Stammesweisen hegten keinen Zweifel: Diese Kreatur, in einem Feuerball von den Sternen gefallen, wurde zu ihnen gesandt, um ihre Loyalität und spirituelle Verbindung zu den Wesen aus der Traumzeit auf den Prüfstand zu stellen.
Nach seiner Genesung beschloss der Stammesrat, ihn nicht wieder wegzuschicken. Sie boten dem Predator an, ihn in ihre Mitte als Ihresgleichen aufzunehmen, ihm ihre Lebensweise und die Sprache beizubringen und ihn in den traditionellen Jagdkünsten zu unterrichten. Tief dankbar für seine Rettung und Pflege, war der Predator ebenso fasziniert von ihren alten Mythen, ihrer tiefen Verbundenheit mit der Natur und ihren Jahrtausende Jahre alten Jagdmethoden. Obwohl er wusste, dass seine Mission noch immer aktiv war, nahm er das Angebot an. In einem ehrenvollen Aufnahmeritus gab ihm der Älteste auch seinen neuen Namen: Gagaan Budhu, der Bruder von den Sternen. Zunächst fürchteten sich viele Stammesmitglieder vor dem Predator; vor seiner überdimensionalen Statur, vor seinem monströsen Antlitz. Durch die Verinnerlichung ihrer Lebensweise, dem Respekt gegenüber ihrem starken Glauben an die Traumzeit und durch das schnelle Erlernen der traditionellen Jagdtechniken und -taktiken wurde er schon bald zu einem wertvollen Mitglied dieser Gemeinschaft. Und so vergingen die Jahre. Der Predator wusste jedoch: eine neue, technisch weit fortgeschrittene Macht steht bereits an der Schwelle zu dieser - nun auch seiner - unberührten Welt. Und sie wird eines Tages brutal in diese eindringen und das bisherige Leben aller Stämme und Lebewesen für immer verändern. Aber jetzt muss er sich einer anderen, urtümlicheren Bedrohung stellen: einem riesigen Killer-Krokodil, das bereits zu viel Blut unter seinen Brüdern vergossen hatte.
Um die Geister der Traumzeit zu besänftigen und mystische Kräfte auf den Predator zu übertragen, hält der Stamm einen Coorroboree ab, um ihn auf die vor ihm liegende gefährliche Reise vorzubereiten. Vom Jüngsten bis zum Ältesten nimmt das ganze Dorf an dieser festlichen Zeremonie teil. Sie singen, sie tanzen, sie erzählen sich alte, heldenhafte Kriegergeschichten und bemalen ihre Körper in den traditionellen Stammesfarben Gelb, Weiß, Schwarz und Rot. Und so macht sich der Predator noch in derselben Nacht und allein in die Dunkelheit auf, ausgestattet mit Speer, Dolch und Bumerang. Stolz trägt er die traditionellen Farben seines Stammes auf Gesicht und Körper zur Jagd.
Kapitel 3: Die Jagd nach dem mystischen Reptil
Langsam bewegt sich der Predator durch das Dickicht zum Ufer eines von Mangroven umgebenen Wasserlochs. Seine Jagd nach der Kreatur aus der Traumzeit hält nun schon fast zwei Nächte und zwei Tage an und führt ihn an dieses Wasserloch. Die feuchte und drückende Hitze stört ihn nicht - im Gegenteil - der Predator ist voll in seinem Element. Ihm entgeht keine Bewegung, kein Rascheln. So hoch konzentriert er ist, so klar ist sein Ziel: Das Monstrum aufspüren und töten, die erlösende Botschaft zu seinem Stamm bringen und nicht zuletzt: sich seine Jagdtrophäe sichern.
Es ist Trockenzeit. Das weitläufige Becken führt bereits weniger Wasser. Der deutlich sichtbar hervorgetretene Uferrand ist Beleg dafür. Aber dennoch bleibt es schwierig zu beurteilen, wie tief das Wasser in diesem Becken wirklich ist. Der Predator weiß: Bei einem Kampf im oder sogar unter Wasser läge der Vorteil eindeutig auf der Seite seiner Beute, also sucht sein Blick nach einer geeigneten Stelle auf der Landseite. Im Laufe der Jahre sind seine Augen in der Lage, sich immer mehr an die Bedingungen des Planeten anzupassen, aber sein Sehvermögen wird nie so scharf werden, wie es früher auf seinem Heimatplaneten war. Die Bruchlandung hatte alle technischen Geräte, seine Waffen und damit auch seine Bio-Mask völlig zerstört und war mit dem Schiff in den Flammen aufgegangen. Mit seiner Bio-Mask hätte er leicht jede Beute im Wärmemodus finden können; seine Schulterkanone hätte den Rest erledigt. Aber diese Art der Jagd gehört schon lange der Vergangenheit an. Im Hier und Jetzt ist es Speer, Dolch und Bumerang. Alte Waffen gegen eine uralte Kreatur. Erfahrung und Instinkt gegen pure Urgewalt. So werden Legenden geboren!
Der Predator lässt seinen Blick über das Becken schweifen. Dort! Etwa 150 Fuß von seiner jetzigen Position entfernt befindet sich ein kleines, felsiges Plateau, das weitgehend vegetationsfrei ist. Darunter erhebt sich ein massiver Stamm eines toten Mangrovenbaumes aus dem grünlich-braunen, halbopaken Sumpfwasser. Der Predator fühlt sich fast magisch von diesem Ort angezogen. Dort also. Genau an dieser Stelle wird er die Jagd beenden!
Mit seiner vollen Präsenz steht er nun auf dem Plateau und beobachtet abwechselnd das Ufer des Beckens und die Oberfläche des Wassers. Der Dolch sitzt fest an seinem Lendenschurz, in seiner rechten Hand hält er seinen Bumerang. Die linke Hand führt den langen Speer. Er ist bereit auszuholen, zu werfen, zuzustechen. Die Minuten vergehen. Alles scheint ruhig.
Plötzlich. Eine schnelle Bewegung am gegenüberliegenden Ufer. Pfeilschnell gleitet etwas sehr Großes und Massives aus dem Mangrovendickicht ins Wasser und taucht genauso schnell darin ab. Nach den Bewegungen auf der Wasseroberfläche zu urteilen, kennt es nur eine Richtung – geradezu auf das Plateau, auf dem der Predator steht. Auf halber Strecke taucht es dann an die Wasseroberfläche. Teile der Schnauze, des Rückenkamms und des Schwanzes erscheinen. Und erst jetzt wird die ganze Dimension dieses riesigen Krokodils deutlich. Es muss etwa 8 Meter lang sein und sicherlich über eine Tonne wiegen. Was für ein Koloss von einem Reptils, keine Beute, selbst ein Predator - und wahrlich ein gleichwertiger Gegner!
Kein Warten mehr, kein Hinterhalt. Dieser Kampf wird frontal ausgetragen und für einen von ihnen wird es der letzte sein. Der Predator spürt einen heftigen Rausch, der in ihm aufsteigt - genau dieser Rausch ist es, nach dem er sich immer sehnt! Warmes, dickes Blut schießt durch seine Adern; es lässt ihn buchstäblich seine zahlreichen Narben auf Brust und Oberkörper spüren. Es besteht kein Zweifel: Heute werden weitere Narben hinzugefügt.
Kapitel 4: Duell bis in den Tod
Das riesige Krokodil stoppt seine Bewegung akut, weniger als vier Meter trennen nun die beiden Kontrahenten. Seine Schnauze ragt vollständig aus dem Wasser heraus und ist dem Predator zugewandt. Für einen Moment sieht es so aus, als wäre die Szene eingefroren: Das Reptil bewegt sich nicht, und auch der Predator verharrt in seiner Position. Und doch ist klar: Beide Kreaturen sind bereit für den tödlichen Kampf.
Plötzlich und mit voller Kraft presst sich das Krokodil aus dem Wasser und schießt direkt auf den Predator zu. Die wenigen Meter Distanz zwischen den beiden Gegnern werden im Bruchteil eines Augenblicks überwunden. Um nahe genug heranzukommen, hat es die halbe Körperlänge aus dem Wasser gedreht und schnappt mit weit geöffnetem Kiefer nach dem Körper des Predators. Der Predator reagiert blitzschnell, lenkt den Angriff mit einer seitlichen Bewegung nach unten ab und rammt den Bumerang direkt zwischen Unterkiefer und Oberkiefer des Reptils. Begleitet von einem brutalen, knirschenden Geräusch klemmt der Bumerang wie eine Kiefersperre zwischen den scharfen Zähnen des Krokodils. Der Predator spürt heftige Schmerzen, sein rechter Arm und seine rechte Hand scheinen verletzt, aber er lässt den Bumerang nicht los. In einer gleichzeitigen Gegenbewegung holt er mit seinem linken Arm, der den Speer hält, zum tödlichen Schwung aus und zielt auf die untere Halspartie des Reptils. Aber die Speerspitze verfehlt ihr Ziel. Die Attacke des Krokodils ist eine so wuchtige Rückwärtsdrehung, dass der Predator, selbst ein Schwergewicht, vom vermeintlich sicheren Plateau ins Wasser stürzt. Ineinander verkeilt, treffen beide hart und unter lauten Getöse auf die Wasseroberfläche auf.
Mit seiner schieren Kraft und Geschwindigkeit zieht das Reptil den Predator nun immer weiter vom Ufer weg, und immer tiefer ins Wasserloch. Er sollte den Bumerang sofort loslassen, schießt es dem Predator durch den Kopf, aber die anhaltenden Drehungen des Reptils haben bereits zu einem völligen Verlust seiner Orientierung geführt. Eine hastige Fluchtbewegung könnte nur weiter in die Tiefe des Wasserlochs führen anstatt an die rettende Oberfläche. Mit fast jeder Drehung fügen die Krallen des Krokodils weitere, schmerzhafte Wunden zu.
Der Predator spürt, dass der Bumerang im Begriff ist, durch den Druck des Kiefers zu bersten. Und nicht nur das Reptil, auch das Wasser ist zu seinem Feind geworden. Er wird den Atem unter Wasser nicht mehr lange anhalten können. Es bleibt ihm nur noch eine Chance, lebend zu entkommen: Ein letzter Versuch, mit seinem Speer einen tödlichen Treffer zu landen! Seine ganze verbleibende Kraft wandert nun in seinen linken Arm, um ihn in eine ausreichende Position zu bringen. Der Speer schneidet sich durch die Wassermassen und stößt langsam, aber sehr kraftvoll auf das Krokodil zu. Plötzlich trifft die scharfe Waffe auf Widerstand. Weiter, fester, härter!
In einem schrägen Winkel bohrt sich die Speerspitze durch die dicke Haut des Unterkiefers des Krokodils, vorbei am verkeilten Bumerang, der seinen rechten Arm noch immer schützt, und bohrt sich weiter - direkt durch das Krokodilgehirn hindurch. In einem letzten Akt der Kraft drückt der Predator seine Waffe voll durch, bis die Spitze des Speers aus dem Schädel des Krokodils ausbricht. Stille.
Vom Plateau aus, auf dem der Predator den Angriff erwartet hatte, wirkt die Wasseroberfläche fast idyllisch. Es gibt keine Anzeichen eines Kampfes, keine hektischen Bewegungen oder Spritzer kommen mehr aus dem Wasser, lediglich das Surren von umherfliegenden Insekten ist zu vernehmen. Aber dann, in der Mitte des Wasserlochs, erscheinen kleine Blasen an der Oberfläche. Um die Blasen herum wechselt das Wasser von einem schlammigen Braun zu einem tiefen Rot, das sich weiter und weiter ausdehnt. Aus diesem Blutteppich schießt nun der Predator unter einem lauten Aufschrei und Ringen nach Luft hervor. Wiedergeburt! Mit letzter Kraft schwimmt er zurück zum Plateau, zieht seinen vom Kampf geschundenen Körper aus dem Wasser und verharrt auf der steinige Oberfläche regungslos. Für einen Moment will er die Augen schließen, er spürt die Wärme der Sonnenstrahlen, die auf seine Haut treffen. Er hat es vollbracht. Er stellte sich dem Killerkrokodil und ging aus diesem Duell als Sieger hervor.
Kapitel 5: Die gefährlichste aller Spezies
Der Predator öffnet seine Augen. Er kann nicht genau sagen, wie viel Zeit vergangen ist. Vielleicht eine Stunde, vielleicht mehr. Aber er weiß, dass er sich aufrichten muss. Er muss wieder zurück in das Wasser, um sich seine Trophäe zu holen. Als er sich erhebt, spürt er die tiefen Wunden an seinem Körper, die ihm das Reptil während des Kampfes hinzugefügt hat. Aber Schmerz spielt jetzt keine Rolle. Sein Dolch! Er braucht seinen Dolch! Hastig packt er sich an seine rechte Hüfte. Der Dolch war noch immer da. Er schwimmt zurück zu der Stelle, an dem er zuvor aufgetaucht war, holt noch einmal tief Luft, klemmt seinen Dolch zwischen seine Zähne und taucht ab.
Die Minuten vergehen wieder. Und dann: Die riesige, von der Speerspitze durchbohrte Schnauze des Krokodils, erscheint als erstes an der Wasseroberfläche, gefolgt vom Predator selbst. Er hat dem Riesenreptil unter Wasser den Kopf abgeschnitten und ihn mit samt dem Speer an die Wasseroberfläche gewuchtet. Auch den Bumerang kann er sichern, er klemmt noch immer zwischen den Kiefern des Reptils.
Bevor der Predator seinen Rückweg zurück ins Dorf einschlägt, hält er kurz auf dem Steinplateau inne. Nachdenklich schaut er noch einmal auf das Wasserloch, in seiner linken Hand der Speer, auf dessen Spitze der aufgespießte Kopf des Krokodils steckt. Blut tropft vom Stumpf auf das steinerne Plateau. Den Bumerang legt er locker über seine rechte Schulter. Es ist diese Stelle, die ihn sofort in den Bann zog. Dieser Ort, an dem der Kampf gegen diese Urgewalt begann und der ihm auch die Kraft zurückgab, seine Waffen und seine Trophäe vom Grund des Wasserlochs zurückzuholen. Hier fließt die Energie der Djang, der Vorfahren des Schöpfers! Und mit einem markigen Schrei in Richtung Himmel beschwört er dieses Plateau als Stätte der Djang. Eine spirituelle Stätte, wo die Traumzeit mit der realen Welt verschmilzt und fortan als energetischer und lebensspendender Ort aus Fels, Ufer und Vegetation weiter existiert. Dann macht er sich auf den Weg zurück zu seinem Stamm, zurück nach Hause.
Er ist noch nicht einmal am Eingang des Dorfes angelangt, da laufen ihm die Kinder des Dorfes bereits lachend und tobend entgegen. Aufgeregt und sicher auch eingeschüchtert von der schieren Größe seiner Trophäe, umkreisen sie den Predator wie ein Schwarm Wildbienen und begleiten ihn bis ins Dorfzentrum. Der ganze Stamm hat sich in der Zwischenzeit versammelt. Sie begrüßen ihren tapferen Krieger mit erhobenen Armen und Freudenschreien. Ihr Krieger, dem es gelang, das Dorf vom alten Fluch der Traumzeit zu befreien.
Der Älteste tritt aus der Menge hervor und nähert sich dem Predator. Der Predator legt seine Waffen nieder und kniet respektvoll vor dem Ältesten. Dieser legt seine Hand auf ihn und spricht mit ruhiger Stimme: "Mein alter Freund, ich sehe, die Geister waren dir wohl gesonnen, deine Jagd ist von Erfolg gekrönt! Wir danken dir von ganzem Herzen, dein selbstloser Mut macht uns alle stolz, wir sind nun wieder sicher." Mit gehobener Stimme fährt er fort: "Lasst uns heute Nacht ein großes Fest zu Ehren unseres Bruders und der Geister aus der Traumzeit feiern. Sie brachten dich zu uns und erlaubten uns, dich zu einem von uns zu machen. Meine Brüder und Schwestern, bereitet nun alles vor. Und du, mein Bruder von den Sternen, lass deine Wunden versorgen und ruhe dich aus. Wir wollen deine Geschichte heute Abend hören!“
Das Fest ist in vollem Gange. Es wird gelacht, getanzt, gegessen und getrunken. Und immer wieder muss der Predator seine heroische Geschichte von der Jagd und dem Kampf gegen das riesige Krokodil aus der Traumzeit vor gebannt zuhörenden Gesichtern erzählen.
Mitten im fröhlichen Fest ertönt plötzlich ein lautes Warnsignal von den Wachen, die den Eingang zum Dorf bewachen. Ein Krieger eines benachbarten Stammes weiter südlich des Landes bittet um Einlass. Er ist allein und scheint keine Bedrohung zu sein, im Gegenteil, er wirkt ängstlich. Durch die feiernde Menge und in Begleitung von zwei Kriegern dringt er zum Ältesten vor. Er ist so aufgebracht und außer Atem, dass er den Predator neben sich nicht einmal bemerkt. Der Mann berichtet mit zitternder Stimme, dass fremde Wesen das Land terrorisieren und marodierend von Dorf zu Dorf in Richtung Norden ziehen und alles mit sich nehmen, was ihnen augenscheinlich nicht gehört. Sie töten, wer sich ihnen in den Weg stellt. Sie tragen schimmernde, schwere Rüstungen, sie feuern aus verhexten Speeren - und ihre Hautfarbe ist sehr blass, fast ohne Farbe. Weiße Dämonen aus der Traumzeit fallen ein!
Und der Predator weiß: Der Tag, den er seit seiner Ankunft auf dem Planeten Erde erwartet hatte, er ist gekommen. Kein Grund mehr, sein Wissen über diese gefährliche Bedrohung, die sich gegen alle Lebewesen dieses alten Kontinents richtet, für sich zu behalten. Er steht auf und bittet den Ältesten um das Wort. Es wird still. Alle schauen gefesselt auf den Predator und wollen seine Worte hören. "Meine Brüder, meine Schwestern", spricht er mit fester, entschlossener Stimme. "Heute sind wir zum letzten Mal in Frieden beisammen. Morgen ziehen wir in den Krieg".
- Ende -